Ich befinde mich in einer Ausstellung von Porträts. Nach monatelanger Pause dürfe sie wieder auf Bühne: Sänger, Tänzer und Schauspieler. Ein bewegender Moment. Einer, den Jochen Quast einfängt. Sein Werkzeug: ein Fotoapparat.
Die Bilder treffen mich ins Mark. Kunst im Bild. Schön. Schwarz-weiß. Authentisch. Es dauert eine Weile bis ich begreife, was mich so erreicht. Es ist die Zerbrechlichkeit, die ich in jedem Gesicht erkennen kann. Neben all der Kraft und Intensität schimmert etwas hindurch, was oft unsichtbar bleibt. Sie lässt mich nicht nur meine eigene Verletzlichkeit überdimensional spüren, sondern auch die einer ganzen Gesellschaft inmitten von C. Lockdown, Impfung, Angst, Unsicherheit – auf all diese Elemente hat uns die Pandemie zurückgeworfen. Jeder musste seine eigene Antwort darauf finden. Während der eine die Chance nutzt, um sich neu zu erfinden, erlebt der andere ein Berufsverbot, ohne etwas falsch gemacht zu haben. Krasse Realität. Andere sanieren sich durch die Krise und wieder andere machen ihren Reibach mit ihr.
All diese Dinge hat es in jeder Krise gegeben. Genau genommen bringt jede Krise das ans Licht, was sonst unter der Oberfläche schwelt. Wir können es ignorieren. Und dann steht es da – mitten im Rampenlicht und wir können die Augen nicht abwenden. Manch einer kann den Anblick nicht ertragen und auch nicht den Blick in den eigenen Abgrund.
Die Psychotherapiepraxen und Kliniken haben Hochkonjunktur. Wieder ein unfreiwilliger Gewinner und eine neue Krise, weil die Arbeit kaum bewältigt werden kann. Eine Krise kann nur gut gemeistert werden, wenn es Perspektive auf ihr Ende gibt. Eine Aussicht, die uns mit C nicht recht gelingen will, trotz aller Bemühungen. Die meisten von uns wurden so unbewusst zu Schauspielern auf einer unsichtbaren Bühne mit Regieanweisungen von der Regierung. Merkwürdigerweise entlastet mich diese Sichtweise. In all dem Ausgeliefertsein empfinde ich Aktivität. Zumindest kann ich dem, was mir geschieht, einen eigenen Ausdruck geben.
Jochen erzählt mir, dass die Künstler nicht wie sonst aus der Probe kommen, sondern ausgeruht sind. Das verändert den Ausdruck ihrer Posen. Diese zeigen mehr von ihnen selbst, weniger von der Rolle, aus der sie gerade kommen. Und während ich diese unerwartete Berührung erlaube und ihr nachgehe, genieße ich auf meinem anschließenden Waldspaziergang die perfekte Schönheit der Natur. Selbst sie erscheint mir zurück ins Licht gerückt zu sein. Danke Jochen – für diesen wunderbaren Titel und Deine Arbeit, die dem Raum verleiht, was zwischen Menschen und ihren Gesichtern ist.
Hier Zurück ins licht jochen quast fotoausstellung – Google Suche
kann man sie sehen, die Kraft, die in all der Zerbrechlichkeit liegt, die Intensität, angesichts einer vorangehenden Beschränkung. Kraft durch Zerbrechlichkeit – gelebte Antifragilität.