Weihnachten, Wünsche und Wunder

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Inhaltsverzeichnis

Hat der Grinch Recht?

Zahllose Spielfilme handeln vom Wunder der Weihnacht. Immer gehen sie gut aus. Selbst der Grinch knickt irgendwann ein. Das Wort Grinch heißt so viel wie Spielverderber oder Spaßverderber. Weil er selbst schlechte Erfahrungen mit Weihnachten gemacht hat, verdirbt der Grinch anderen die Weihnachtsfreude, indem er ihre Geschenke stiehlt – noch dazu in der Verkleidung des Weihnachtsmannes. Eine einfache und eindrucksvolle Geschichte, die wir Dr. Seuss verdanken. Ein Wunder entsteht auch hier: Eine Ortsbewohnerin setzt sich für den Grinch ein, hilft ihm, die Vergangenheit zu bearbeiten, und so erkennt der Grinch die Bedeutung von Weihnachten, gibt die Geschenke zurück und feiert mit.

So schlicht die Geschichte sein mag, so sehr berührt sie in ihrem Kern unsere tiefsten Sehnsüchte. Alles soll gut werden. Doch was ist gut? Alles wie vorher? Alles so, wie es die Mehrheit will oder die Minderheit?

Mehrheit und Wahrheit

Wir passen uns an das an, was die Mehrheit sagt. Die Konformitätsversuche von Asch in den 50-er Jahren sprechen da eine eindeutige Sprache. Demnach beugen sich die meisten Menschen selbst dann dem Urteil der Mehrheit, wenn eindeutig sichtbar ist, dass dieses fehlerhaft ist.

Eine meiner Romanfiguren, Gustav Alt, stellt die Frage: „Seit wann ist Mehrheit ein Garant für Qualität oder gar Wahrheit?“ Dieser Satz stammt aus meinem Roman „… damit leben lernen“.  Als ich Gustav dies einst sagen ließ, war mir nicht bewusst, wie grundlegend ich diesen Satz persönlich finde. Ich lerne von meinen Figuren.

Sich seiner eigenen Wahrheit bewusst zu sein, leise, unerbittlich und ohne es jedem aufdrücken zu wollen – das wäre eine Qualität, die ich mir in einer besseren Welt wünschte.

Déjà-vu

Gerade nimmt die Pandemie nochmal Schwung auf. Déjà-vu – hatten wir das nicht gerade? Viele Versprechungen, Sorgen und Nöte? Wie kommen wir darauf, dass wir alles beherrschen können? Wir suchen Schuldige, wir suchen nach vorhersehbaren Zukunftsentwürfen und übersehen immer noch, wie wenig wir dieser Pandemie wirklich entgegenzusetzen haben. Jede Strategie ist sinnvoll, es gibt offensichtlich nicht die eine Lösung. Nur eine Kombination von aufmerksamem Verhalten und anderen Maßnahmen.

Die fehlende Mitte

Die Spaltung in zwei extreme Positionen ist unerträglich, weil sie zusätzlichen Schaden anrichtet. Und das, obwohl sich keine auf eine vollständige Datenlage stützen kann. Ganz einfach deswegen, weil es die noch nicht gibt, noch nicht geben kann. Das ist eine Herausforderung. Vielleicht ist das "obwohl" in Wirklichkeit ein "weil"? Das Problem mit der Mitte ist vor allem ihr fehlen, und damit auch das Fehlen von Menschen, die mit Vertretern beider Extrempositionen sprechen. Wir sind in einem Stadium angelangt, wo man das Gefühl hat, nur noch dafür oder dagegen sein zu können. Menschen, die für die Mitte stehen, müssen gut zuhören können – beiden Seiten. Nicht, um zu vermitteln, sondern im Sinne des Bewahrens und aktiven Hörens jeder Position. Wie Halter eines größeren Raumes, in dem alle Platz haben. Ich stelle mir eine Zukunft vor, in der das möglich sein wird. Eine Zukunft, in der es nicht mehr darum geht, wer Recht hat. Sondern in der divergente Sichtweisen gemeinsam getragen und zum Lernen genutzt werden können.

Spaltung und Narzissmus

Spaltung ist Ausdruck narzisstischen Wirkens. Eine alte psychiatrische Weisheit. Was drückt sich hier aus? Ist unserer Gesellschaft narzisstisch geworden? Fehlt es uns an Mitgefühl? Fehlt es uns an Verantwortung? Frage ich herum, ist das Interesse der meisten Menschen der eigene Schutz und die Rückgewinnung ihrer Freiheit. Das verstehe ich und kann es nachvollziehen. Schon lange geht es nicht mehr um die Menschen, die den schwersten Verlauf haben, sondern um die Rechte der anderen, deren Freiheit beschränkt wird. Neueste, schlagkräftige Waffe vieler lauter Medien und Politiker ist die Argumentation der Beschneidung der Freiheitsrechte der Kinder durch eine Minderheit. Jetzt bin ich durcheinander – aber nur kurz. Genau, diese Betrachtung funktioniert, wenn die Schuldigen die Ungeimpften sind. Sie sind die Minderheit. Die Pandemie aber ist eine, die alle Menschen betrifft. Eindeutig die Mehrheit. Daran schließt sich gleich die nächste Frage an: Kann man die beiden Lager wirklich eindeutig definieren? Vor allem, wenn immer alle betroffen sind? Mir geht es nicht darum, eine politische Aussage zu formulieren. Ich folge nur der Realität und untersuche sie bezüglich ihrer Wirkung auf uns und unsere nicht vorhandene Mitte.

Erkenntnis, Demut und das Wunder der Überraschung

Jeder kann jeden und sich selbst anstecken. Wäre diese Erkenntnis nicht eine Steilvorlage für Demut statt für Schuldzuweisungen? Mich bestürzt die Bereitschaft, sich zurückzulehnen und eine einzige Position zu vertreten, sobald man einen Schuldigen hat. Geht es wirklich darum? Geht es nicht vielmehr um die mutige Erkenntnis, dass wir nicht alles im Griff haben können und wir uns deswegen achtsam verhalten müssen? Alle! Vermutlich noch sehr lange. Wie wäre eine Gesellschaft, die lernt, die jeder Position eine Chance gibt – ohne verbale Gewalt? Vielleicht ist das mein Wunsch zu Weihnachten. Ein Wunsch, der definitiv ein Wunder erforderlich macht.

Wunder heißt nicht, dass etwas unmöglich ist. Wunder heißt, dass man es nicht erwartet. Sich wundern hat viel mit Staunen, mit Überraschung zu tun.

Wunder oder Konsum?

Weihnachten galt immer als Wunder – jetzt steht es weltweit für Konsum. Können wir durch Konsum unser Inneres nähren und unsere Ängste betäuben? Auf diese Frage würde vermutlich jeder spontan mit einem Nein antworten. Warum tun wir es dann? Was bringt uns dazu, dem Konsumwahn zu folgen und uns auf die Jagd nach Geschenken zu machen, von denen wir die meisten nicht wirklich brauchen? Und das in Zeiten der Pandemie? Ist das nicht geschmacklos? Oder steckt dahinter der Versuch auszuweichen? Der Wunsch nach einem kleinen Moment mit einer perfekten Welt?

Wünsche und Hunger

Ich sehe auf eine Welt, in der die Erfüllung von Wünschen das Wichtigste zu sein scheint. Ist Dir schon mal aufgefallen, wie schnell die Freude über einen erfüllten Wunsch einer melancholischen Stimmung weicht? Es ist fast traurig, weil Du jetzt keinen Wunsch mehr hast. Du bist angekommen, und statt das zu genießen, bist Du sofort mit dem nächsten Wunsch unterwegs. Als würdest Du der Trauer entgehen, wenn Du ihr sofort mit dem Hunger nach einem neuen Wunsch begegnest.

Wünsche und Bewusstsein

Anhalten, innehalten, hinschauen und dann Bewusstsein dafür entwickeln, was da ist. Mit diesen Qualitäten fühlt sich ein erfüllter Wunsch sehr lange kraftvoll an. Probiere es einfach aus. Ganz nebenbei würdest Du Dich damit in einer Haltung üben, die eine menschliche Zukunft gestaltet. Eine, die nicht vom Hunger nach Wünschen getrieben wird, sondern von der Freude, am Leben zu sein. Zusammen mit anderen. Wäre das nicht auch ein Wunder? Vielleicht. Ist es möglich? Ich denke schon. Muss dazu Weihnachten sein? Nein. Aber der Zeitpunkt bietet sich an.

Mögen Deine Wünsche nicht in Erfüllung gehen

Ich wünsche uns allen, dass unsere Wünsche nicht in Erfüllung gehen. Mögen jedem bessere Dinge begegnen als die, die er oder sie sich ausmalen kann.

Mögen Dir gute Überraschungen begegnen, vor allem jene, die Du noch nicht zu träumen gewagt hast. Mögen Wunder geschehen. Auch für unsere gesellschaftliche Entwicklung. Wagst Du es, größer zu träumen und Wunder für möglich zu halten? Ich schon. Bist Du dabei? Das wäre der Anfang eines Wunders, an das die wenigsten noch glauben und das wir unbedingt brauchen – mehr denn je.

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