Die Fortsetzung dieser fabelhaften Geschichte über eine junge Frau, die eine ihr noch unbekannte Kraft in sich selbst entdeckt.
Violetta und der Storch - Kapitel 2
Langsam rann der Tee ihre Kehle hinunter. Warm und wohlig, genau das brauchte sie jetzt.
Sie rieb die Füße aneinander. Versonnen verfolgte sie, wie auch die Füße rosa glänzten. Schöne Füße.
Waren es die Füße oder das Rosa, das die Farbe ausmachte? Und wäre es nicht großartig, eine Welt ganz in Rosa zu erschaffen? Während der Gedanke von ihr Besitz ergriff, betrachtete sie ihre kleine, schäbige Küche, die jetzt wie verzaubert wirkte.
Ihre Augen wanderten zu dem Paket zurück, das sie wieder an den Rand des Tisches gestellt hatte. Während es vorher noch groß und ein wenig unordentlich gewirkt hatte, war es nun klein, handlich und sehr einladend, wahrhaftig schön. Ihr Blick wanderte zu der Schleife. Diese rosa Schleife, unglaublich, mädchenhaft. Aber wie war das Paket in ihre Küche gekommen? Sie konnte sich nicht erinnern. Und waren nicht eben noch zwei Buchstaben an der Kante des Paketes gewesen? Wo waren die geblieben? Hatte sie sich das nur eingebildet? Aber sie hatte sie doch gesehen, und das Päckchen war immer noch in ihrer Küche. Das war real. All das war real.
So gerne würde sie das Paket öffnen und nachsehen, was darin war, aber zwei Gründe hielten sie ab:
Erstens wusste sie nicht, ob es richtig wäre, es zu öffnen.
Und zweitens: Würde dann der Zauber erhalten bleiben?
Versonnen betrachtete sie den Fußboden, und während sie das tat, fiel ihr ein, was die Wahrheit war.
Die Wahrheit war, dass sie nicht wagte, einen einzigen Schritt zu tun. Jeder Schritt könnte ein falscher sein. Aber war nicht ein falscher Schritt besser als keiner? Wer hatte ihr das nur gesagt? Noch während sie dieser Frage nachhing, veränderte sich der hübsche rosafarbene Fußboden, wurde zu runden Kieselsteinen, die sich unverhofft in Glassplitter verwandelten. Jeder Schritt ein Schnitt.
Konzentriert brachte sie ihre Füße in Sicherheit, versteckte sie auf der Sitzfläche unter ihrem Rock. Fliegen wäre etwas Sicheres. Genau, fliegen müsste sie können.
Mit geschlossenen Augen sah sie sich selbst, wie sie über dem Küchenboden schwebte. Nun, schweben wäre zumindest ein Anfang, ein erster Schritt in Richtung Freiheit. Ein Lachen löste sich aus ihrer warmen Kehle. In dem Moment veränderte sich ihre Welt.
Schnell öffnete sie die Augen. Tatsächlich, sie schwebte. Mitten in ihrer Küche, und von dort konnte sie alles aus einem neuen Blickwinkel erkennen. Alles war über Kopf, unten war oben und oben war unten. Alle Wichtigkeiten schienen ihr wie Nichtigkeiten.
Was für ein Zauber war das? Ihr ureigener oder der des rosafarbenen Lichtes?
Den ersten Teil von Violetta und der Storch findest du hier.
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