Etwas Neues zu erschaffen, braucht manchmal Anstrengung. Sie ist ein Teil der Reise. Ein Teil der Reise, wohlgemerkt. Allgemein erscheinen Dinge, die einem in den Schoß fallen, weniger wert als solche, die man sich erarbeitet hat. Also strengt man sich an und glaubt, nur so kann Erfolg erreicht werden. Das ist wahr und unwahr. Wenn du nämlich genug geübt hast, fällt alles leicht und ist dennoch einer Anstrengung zu verdanken.
Erinnerst du dich daran, wie du laufen gelernt hast? Du bist endlos oft hingefallen und wieder aufgestanden. Du brauchtest Menschen oder Gegenstände zum Festhalten, weil die ersten Schritte ungeübt und entsprechend wacklig sind. Was hat dich weitermachen lassen? Du wolltest vorwärtskommen, und zwar buchstäblich. Dafür hast du dich angestrengt.
Wenn wir kleinen Wesen dabei zuschauen, wie sie laufen lernen, dann haben sie bei dieser Anstrengung viel Freude. Aber nur, wenn es funktioniert. Dazwischen liegen Phasen von Geschrei, Schmerz und Tränen. Doch nichts hält die Kleinen ab – wie auch dich damals nichts davon abhalten konnte, auf die Füße zu kommen. Das nenne ich beharrlich.
Die Alternative ist, spielerisch sein Ziel zu erreichen. Und schon könnte man denken, spielerisch sei komfortabel. Das ist es nicht, aber die Anstrengung macht mehr Spaß. Meistens.
Denn wann immer etwas funktionieren soll, gibt es die anstrengenden Phasen, durch die man hindurchmuss.
Beim Laufen lernen ist die Mischung offensichtlich. Wenn es mühsam wird, hilft nur Beharrlichkeit, und spätestens am Ende kommt die Freude. Oftmals gibt es viele kleine und große Freudenmomente bis dorthin. Wir müssen sie nur bemerken. Kinder scheinen sich selbstverständlich, unbewusst nach dieser Erfahrung zu richten. Als gäbe es in ihnen die Gewissheit, dass sich die Anstrengung lohnt.
Je erwachsener man wird, desto eher entsteht der Eindruck, Anstrengung sei nicht immer von Erfolg gekrönt. Und nach und nach verbindet man mit Anstrengung das schale Gefühl des Scheiterns, das immer im Hintergrund lauert. Also sucht man folgerichtig nach Sicherheit, nach Erfolgsgarantien. Wann wirfst du das Handtuch? Ist es dein Ziel wert, beharrlich weiterzuüben, das Handtuch immer wieder aufzuheben und weiterzukämpfen?
Eine alte Regel der Navajo-Indianer besagt: Wenn du entdeckst, dass du ein totes Pferd reitest, steig ab. Klingt einfach, doch wann ist das Pferd tot? Gerade wenn es um Zukunftsprojekte geht, scheint das Pferd immer wieder dem Untergang geweiht zu sein, doch dann galoppiert es plötzlich los. Du kannst zu früh aufgeben, und dann belebt vielleicht ein anderer das Pferd, das du aufgezogen und mit dem du gelebt hast. Kein gutes Gefühl. Unweigerlich erreichst du den Punkt, an dem du dich fragst, ob du einen Fehler machst. Diese Frage gilt für jeden möglichen Schritt in Richtung Veränderung.
Ich versichere dir, du wirst Fehler machen. Du wirst zu lange auf einem toten Pferd reiten und du wirst auch zu früh absteigen. Und vor allem wirst du es immer erst dann wissen, wenn du in der Zukunft angekommen bist – nicht jetzt, nicht davor. Manche Entscheidung erweist sich erst mit der Zeit als falsch, obwohl sie zunächst richtig erschien.
Meine Lösung lautet, Fehler als wichtigen Teil des Ganzen zu betrachten.
Immer, wenn etwas profitabel oder tragfähig werden soll, braucht man Beharrlichkeit und eine hohe Fehlertoleranz. Was bedeutet das? Für mich bedeutet es, dass es wichtig ist, Fehler machen zu dürfen. Ich muss nicht alles bis ins Kleinste vorhersagen, denn das kann ich nicht. Niemand kann das. Sicher, manche Fehler sind vorhersehbar, aber über die spreche ich gerade nicht. Der Punkt ist: Zwar kann man Fehler nicht planen, aber man kann doch annehmen, dass sie immer inbegriffen sind.
Die Möglichkeit, Fehler machen zu können, ist sinnvoll und braucht deine Erlaubnis. Nur dann kannst du spielerisch und beharrlich vorankommen. Aus Fehlern lernen wir – wenn wir es wollen. Es ist ratsam, Fehlschläge zu akzeptieren, ohne sich entmutigen zu lassen, weil das Ziel so gut ist. Darum geht es, und auch dieser Prozess ist Teil der Reise.
In allen alten Weisheitslehren wird davon gesprochen, dass es wichtig ist, im Moment zu leben, also in der Gegenwart zu sein. Und es spricht sehr viel für die Richtigkeit dieses Wissens. Trotzdem entsteht die Zukunft nun einmal aus der Gegenwart, jeden Moment neu. Unsere Gegenwartsgestaltung und -wahrnehmung ist also nicht nur für den Moment wichtig, sondern immer auch darüber hinaus.
Kein Mensch ist eine Insel. Keiner von uns kann sich den Einflüssen der Umgebung und anderer Menschen vollständig entziehen. Einigen wir uns auf Folgendes:
Das Leben liefert permanent neue Impulse. Impulse, die unsere Richtung verändern oder sie bestätigen können.
Die Frage ist also, wie wir eine Richtung beibehalten können, wenn wir ein bestimmtes Ziel erreichen möchten. Meiner Erfahrung nach braucht es dafür zwei Dinge: erstens die große Vision und zweitens erreichbare Zwischenziele. So können wir die Auswirkungen der Gegenwart auf die Zukunft einschätzen und möglichweise Korrekturen am Ziel selbst oder an den gedachten Maßnahmen vornehmen.
Ich suche immer noch nach einem positiven Zukunftsentwurf, obwohl alle Anzeichen eher eine andere Sprache sprechen: Die Zukunft wird sich schwierig gestalten. Jetzt kommt es darauf an. Absteigen oder weiterreiten? Ich bin für absteigen und weitergehen. Zu Fuß. Schritt für Schritt. Zukunft entsteht nicht auf dem Reißbrett. Sie entsteht, weil die Einzelnen etwas in ihrem kleinen Bereich verändern, und daraus kann etwas Großes erwachsen. Selbst wenn sich das große Projekt nach Schlingern anfühlt, können wir uns und unser Verhalten lenken. Das ist ein wenig, wie auf Eis Auto zu fahren.
Ich habe im Winter 1979/80 meinen Führerschein gemacht. Viel Schnee und Eis über Monate. In einer Fahrstunde forderte mich mein Fahrlehrer auf, rechts abzubiegen. Ich wollte diskutieren, denn da war nur ein Feld und keine Straße. Noch während ich meine Einwände formulierte, unterbrach er mich streng. „Fahr rechts ab.“ Okay, also bog ich ab. Danach wies er mich an: „Gib Gas.“ Ich atmete durch, wollte etwas sagen, doch da hatte er das Gaspedal auf seiner Seite schon gedrückt und der Wagen schoss schier ungebändigt über das vereiste Feld. Panik stieg in mir auf. Sein nächster Befehl erschien mir so sinnlos, dass ich fast geneigt war, aufzugeben. „Bremsen!“ Doch dann sah ich aus den Augenwinkeln, wie sein Fuß auf dem Weg zum Bremspedal war, und so bremste ich, vorsichtig, wie er es im Unterricht erklärt hatte. Das Auto rutschte, schlingerte und hielt schließlich an. Bis heute denke ich gerne an diese Situation, weil ich etwas über mich und das Auto gelernt habe. Mein Fahrlehrer hatte diese Situation erschaffen, damit ich geschützt erleben konnte, wie es sich anfühlt, wenn der Wagen ins Rutschen kommt. Ich finde seine Vorgehensweise nicht vorbildlich, aber ich bin ehrlich genug, um zuzugeben, dass ich keinen anderen Weg wüsste, mit dem ich genau diese Erfahrung hätte machen können.
Manchmal muss man eben auch die unangenehmen Erfahrungen mitnehmen, um etwas Gutes erreichen zu können.
In diesem Fall, wie man auf Eis in einem Auto rutscht und zum Stehen kommt.
Also – schaffe Zukunft mit mir. Schlingere, rutsche, bremse und gib Gas, wenn es passt. Auch eine Weile stehen bleiben kannst du, wenn du einmal Luft holen musst. Aber hör nie auf, weiterzumachen, weiterzugehen, langsam, Schritt für Schritt. Immer in dem Bewusstsein, dass auch die Zukunft weder komfortabel noch fehlerfrei sein wird.