Die Frau vor mir ist Mitte vierzig. „Diese KI macht mir Angst“, sagt sie und schluckt deutlich sichtbar. So sieht sie auch aus. Sie fürchtet sich, weil sie künstliche Intelligenz nicht einschätzen, ihr aber auch nicht ausweichen kann. Unser Gespräch veranlasst mich, diesen Blog zu schreiben. Grundsätzlich ist alles, was neu ist, geeignet Angst auszulösen. Ein über Jahrtausende entwickeltes, bewährtes Programm setzt sich durch. So entsteht Stress auch angesichts der neuen Technologie – und die einzige Abhilfe besteht darin, das Neue einschätzen zu lernen. Dazu muss man es irgendwie untersuchen und verstehen, sonst dominiert die Angst. Und genau das machen wir jetzt mit der KI: Wir sehen uns 7 typische Aussagen und Ängste über sie an und versuchen, ihr die Bedrohlichkeit zu nehmen. Dabei ist jede einzelne dieser Ängste ein gutes Motiv, sich mit KI auseinanderzusetzen.
Mit dem rasenden Erfolg des Chatbots GPT wird diese Angst nicht nur geschürt, sondern sie wird konkret. Doch mal ehrlich: KI wird seit ungefähr 10 Jahren eingesetzt, um die Algorithmen von Social Media und des Internets zu optimieren. Jeder Schritt, den wir dort machen, macht uns manipulierbarer, kontrollierbarer. Allerdings nur so lange, wie wir uns mit diesen Mechanismen nicht auseinandersetzen. Hinter den Algorithmen stehen Verkaufsinteressen, die nicht nur perfekt studiert, sondern auch minutiös gesteuert werden. Das ist uns zwar eigentlich klar, aber nicht bei jedem Schritt bewusst, den wir tun. Welche Auswirkungen eine Technologie hat, liegt immer an den Menschen, die sie nutzen. An mir, an dir, an uns allen vor den Geräten. In keinem Fall lohnt es sich, sie einfach abzulehnen. Ich begrüße Neues, ergründe es und beobachte, wie andere damit umgehen, die mehr Einfluss haben als ich.
KI kann sehr viel, und in manchen Bereichen ist sie sogar deutlich überlegen. Man denke an aufwändige Recherchen, an die Erstellung von Präsentationen oder auch an die Konstruktion von Szenarien. Da ist die KI allein schon deswegen dem Menschen überlegen, weil sie viel mehr Daten berücksichtigen kann als das menschliche Gehirn. Warum aber fürchten wir uns davor, wenn andere überlegen sind? Weil es uns klein macht und wehrlos. Das ist übrigens nicht nur bezüglich KI so. Wie wäre es, die KI als das zu sehen, was sie ist? Ein Werkzeug. Eines, das uns viel Zeit beschert, wenn wir es richtig einsetzen. Zeit, die wir anders nutzen können, vermutlich sinnvoller. Eines, dem wir immer sagen müssen, was es tun soll, und das uns die Denkarbeit nicht abnimmt, aber erleichtern kann. KI kann große Datenmengen verarbeiten und je nach Fragestellung auch auswerten. Das kann uns helfen, bessere Entscheidungen zu treffen und auch die Daten zu berücksichtigen, die uns sonst vielleicht durch die Lappen gehen. Merkst du, was passiert? So gesehen, ist die KI ohne dich nichts. Ein Grund mehr, sich mit ihr auseinanderzusetzen.
Ja, mit KI können Prozesse optimiert werden oder zumindest verbessert. Vor allem die kleinen, sich stets wiederholenden Arbeiten werden von KI effizienter und sicherer durchgeführt. Also nochmal: Ja, KI wird das Arbeitsleben verändern und das kann auch dazu führen, dass Jobs wegfallen. Aber in jedem Fall müssen neue erschaffen werden, denn KI ist nicht kreativ, sondern folgt ihrer Programmierung. Wir werden also unsere Tätigkeitsfelder neu definieren müssen – oder wir dürfen es. Das könnte sogar ein interessanter Zukunftsaspekt sein, denn hier sind wir wieder als Gesellschaft gefragt. Stell dir vor, du dürftest dich neu erfinden und würdest dabei vielleicht sogar Unterstützung bekommen. Es würde viele Menschen betreffen, sie müssten diesen Prozess genau wie du durchlaufen. Stell dir weiter vor, dieser Prozess wäre so wichtig, dass er sogar öffentliche Förderung bekäme. Du musst dir nur eine Frage beantworten: Was würdest du dann tun?
Obwohl sie Musikgruppen erschafft und Musik komponieren, sogar Texte, Geschichten, Märchen schreiben und auch andere Arten der Textarbeit übernehmen kann – KI wird sich immer nur daran orientieren können, was schon da ist. Mein Chatbot informierte mich höflich darüber, dass er nur auf Daten bis 2021 zugreifen kann, als ich ihn um ein Essay aus dem Themengebiet Neurowissenschaft bat. KI-Texte fallen durch Wiederholungen auf und „bestechen“ durch einen monotonen Satzbau. Es ist vollkommen klar, wie notwendig eine Bearbeitung durch kreative Menschen ist. KI ist eben funktionell, sie nutzt stereotype Vorgaben. Auf diese Art und Weise ist sie beeindruckend, kann sie Arbeit erleichtern oder Ideen anbieten. Aber ihre Produkte sind keinesfalls mit von Menschen erschaffener Musik, Geschichten oder Essays vergleichbar.
KI erlaubt in der Tat eine optimale Überwachung. Das liegt auf der Hand. Aber auch hier kommt es darauf an, wie sie eingesetzt wird. Ob sie zur Mustererkennung beiträgt, die auf Betrug oder kriminelle Aktivitäten verweist, ob sie der Kontrolle von Sicherheitssystemen, dem Erkennen spezifischer Bedrohungen oder der Bündelung von Daten im Gesundheitswesen dient: Immer ist es eine Frage der menschlichen Ethik, ob mit der KI Missbrauch betrieben wird oder nicht. Ich finde die Frage berechtigt, ob es nicht auch unser Verhalten ist, das zur Überwachung einlädt. Denn der Staat sind wir, nicht nur „die da oben“. Je selbstverständlicher wir Werte wie Respekt, Würde, Ehrlichkeit und Vertrauen leben, desto weniger müssen Diskussionen darüber sein, welche der staatlich kontrollierenden Elemente erforderlich sind, um Missbrauch zu vermeiden. Von gesetzlichen Regelungen hin zur staatlichen Überwachung ist der Weg oft nicht nur erschreckend kurz, sondern auch leicht. Dann geht es um die Werte derer, die als Politiker wirken. Ich gebe zu, im Rahmen der Pandemie gab es eine Phase, in der ich entsetzt darüber war, wie sehr der Ruf nach einer starken Führung mit Zwang das gesellschaftliche Leben geprägt hat. Dabei geht es mir nicht um die inhaltliche Auseinandersetzung, sondern ausschließlich um den Mechanismus dahinter. Glücklicherweise leben wir nicht in einem totalitären Staat. Das merkst du daran, dass ich in diesem Blog schreiben kann, wie und was ich will. Ich habe Rechte, die mir zustehen und die ich einfordern kann. Und genau so könnte man KI programmieren. Sie könnte sogar schneller aufdecken, wenn Missbrauch betrieben würde, egal auf welcher Seite. In mir entsteht der Begriff Sinnvolle Überwachung. Ein Paradoxon, und es kann nur dann entstehen, wenn die Einzelnen ihre Verantwortung selbst übernehmen. Stell dir beispielsweise vor, die KI im Gesundheitswesen würde dabei helfen, Behandlungspläne zu kontrollieren. Oder sie würde dich dabei unterstützen, gesünder zu leben. Die Apps, die dein Verhalten beobachten, deine Schritte zählen, dein EKG schreiben, werden viel und gerne genutzt. Seltsamerweise fürchten sich dabei die wenigsten.
Ängste wie diese werden durch dystopische Science-Fiction-Filme wie beispielsweise I, Robot zuhauf gefördert. Die KI übernimmt die Herrschaft und der Mensch ist ihr unterlegen. Angesichts der erforderlichen Regelmenge, die für diese Art Dominanz notwendig wäre, ist es allerdings schwer vorstellbar, dass eine KI vollkommen selbständig agiert, selbst wenn sie durch neuronale Netze lernt. Als ich mit dem ersten Chatbot herumspielte, tat ich das anhand von Fachgebieten, die ich genau beherrsche, sodass ich die Antworten selbst verifizieren konnte. Ich fragte auf verschiedene Weisen und erhielt sich widersprechende Aussagen. Plötzlich kam die Antwort: „Es tut mir leid, offensichtlich konnte ich dich mit meiner Antwort nicht zufrieden stellen. Kann ich noch etwas für dich tun?“ Ich war so verblüfft, dass ich wahrheitsgemäß antwortete: „Im Moment versuche ich nur herauszufinden, was du kannst.“ Daraufhin erhielt ich folgende Antwort: „Ich bin ein Sprachmodell und ich wurde entwickelt, um menschenähnliche Textantworten auf verschiedene Fragen und Anfragen zu geben … Bitte zögere nicht, mir Fragen zu stellen oder um Hilfe zu bitten.“ In einer anderen KI wurden mir 8 Punkte genannt, auf die diese KI programmiert war. Weil die Sprache menschenähnlich gestaltet ist, fühlt es sich an, als sei die KI ein menschliches Wesen, aber sie ist weder das noch eine neue, dominante Spezies, die die Weltherrschaft übernimmt. Sie bleibt eine technische Form, nicht mehr und nicht weniger. Und die Programmierleistung dahinter ist beeindruckend.
Wir sind längst durchsichtig. Intelligente Technik (ver-)folgt uns, wir (ver-)folgen uns gegenseitig und wir haben vielleicht schon lange die Aufmerksamkeit dafür verloren, wer wir wirklich sind. Der Vorteil digitaler Elemente in unserem Leben könnte der sein, dass wir sie nutzen, um uns das Leben zu erleichtern. Das aber braucht Abgrenzung und Bewusstsein: Wir müssen wissen, wer wir sind und dass die Geschichte, die wir über uns erzählen, unserem wahren Selbst entspricht. Darüber habe ich im letzten Blog geschrieben. Letztlich liegt es an uns, ob wir uns mit Technik umgeben, die zu verstehen wir uns weigern, oder ob wir den Mut entwickeln, uns den neuen Möglichkeiten so zu nähern, dass wir sie beherrschen – und nicht sie uns. Wie wäre es, wenn wir unsere Herangehensweise änderten? Statt die Gefahren der KI zu diskutieren, sie zu regulieren und ihren Missbrauch zu definieren, könnten wir uns auf das besinnen, was uns als Menschen ausmacht, was uns von ihr unterscheidet. Wäre es nicht viel sinnvoller, unsere Werte in den Mittelpunkt zu stellen und sie zu nähren, auszuloten, zu entwickeln? Ein Versuch, der mir überfällig scheint. Einer, der sich lohnen würde. Und einer, der ein erster Schritt sein könnte hin zu einer besseren, einer menschlichen Zukunft.