Was ist ideal? Von der Wortbedeutung her geht es um Vollkommenheit. Kann es die unter Menschen überhaupt geben? Meine entschiedene Antwort ist: Irgendwie schon. Allerdings ist sie nicht absolut, sondern maximal subjektiv. Neben der Frage, wie die Interessen und Fähigkeiten Deiner Stammesmitglieder sein sollten, stellt sich noch eine Frage. Nämlich die, wie viele Mitglieder Dein Stamm haben sollte. Was müssen die Einzelnen können und wie ähnlich oder wie verschieden müssen sie sein? Geht es um Aufgabenverteilung oder um Kompetenz? Alle diese Elemente haben ihre Berechtigung. Das Gute ist: Die Stämme der Jetztzeit bilden sich anders als die in der Steinzeit. In der Steinzeit waren es Familie und Zweckmäßigkeit. Heute gehen Stämme in der Regel von Freundschaften aus und wachsen dann langsam. Zuallererst ist es also ein Gedankenspiel. Beginnen wir also mit der Größe.
Die ideale Größe
Wie groß muss ein Stamm sein und wann hat er eine ideale Größe? Du fragst Dich vielleicht, wozu diese Information wichtig ist? Nun, wenn man weiß, wie viele Menschen für eine optimale Projektgestaltung notwendig sind, dann kann man auf die richtige Stammesgröße schließen. In der Tat ist es so, dass es verschiedene perfekte Zahlen für Gruppengrößen gibt, und die beziehen sich immer auf das, was gerade gebraucht wird. Also beginne ich mit der kleinsten Größe.
Die Zahl 2
Für die kleinste Form einer Gruppe braucht es 2 Menschen. Sie erlaubt die intensivste Form einer Beziehung. Du und ich. Sehr emotional. Intensiv. Hoher Zeitfaktor. Und hohe Sinngebung. Denn dafür brauchen wir Beziehungen. Intensive Beziehungen sorgen tatsächlich dafür, dass wir einen Sinn in unserem Leben empfinden. Nachteil: Wenn eine der beiden Personen wegbricht, sind wir allein und das hat Auswirkungen auf unsere Wahrnehmung von Sinn im Leben.
Die Zahl 3
Die 3 beschreibt eine stabile Form. Dreiecke gelten nicht umsonst als perfekte Konstellation. In Beziehungen sind 3 oft einer zu viel. Aber 3 Freunde können eine ganze Firma aufbauen und gestalten. Das geht zwar auch allein oder zu zweit, aber zu dritt ist die Verteilung der Aufgaben optimaler. Eltern und Kind bilden auch eine Dreiergruppe, die herausfordernd sein kann. Disharmonie kann die stabile Form ins Wanken bringen. Die Harmonie herzustellen ist bei 3 Menschen leichter möglich als bei mehr als 3 Menschen. Parteibildung mit demokratischer Übermacht ist erstmalig mit 3 Personen möglich. Die erste Stammeserfahrung mit mehr Kraft. Zu zweit ist es immer eine Pattsituation. Sinngebung ist nicht mehr nur auf eine Person beschränkt, sondern auch andere Menschen können für Deine Sinngebung wirksam sein.
Die Zahl 9
Neun Freunde sind eine perfekte Zahl, um alles Mögliche gestalten zu können. Die verschiedenen Möglichkeiten und Konstellationen erlauben einen Blick auf die Wirklichkeit, die relativ breit angelegt ist. Jede Person erweitert den Wirkungskreis, weil jede Person vermutlich auch wieder ein eigenes Netzwerk hat, das sie in Form sozialer Kontakte pflegt. So wird die tatsächliche Zahl deutlich größer.
Die Zahl 150
Der Anthropologe und Psychologe Robin Dunbar limitierte unsere Fähigkeit stabile soziale Kontakte zu pflegen auf 150. In der Geschichte der Menschheit findet sich diese Zahl wiederholt. Jungsteinzeitliche Bauerndörfer bestanden aus etwa 150 Bewohnern. Die Grundgröße der römischen Armee war auch 150. Die Zahl 150 wird mit optimalem Funktionieren verbunden. Die Wahrscheinlichkeit alle Aufgaben abdecken zu können und damit das Überleben der Gruppe sichern zu können ist groß. Es sprechen also einige Fakten dafür, dass diese Größe sinnvoll zu sein scheint. In einer Welt ohne soziale Medien könnte diese Zahl tatsächlich eine echte Limitierung im Sinne der Machbarkeit darstellen. Auch der Mathematiker Bruno Gonçalves kommt in einer Studie zu ähnlichen Zahlen. Dabei startet er mit einer viel Größeren.
Die Zahl 1500
Laut Bruno Gonçalves stößt unser Gedächtnis bei 1500 Personen an seine Grenzen. Also können auch soziale Medien nicht ungehindert Wachstum bei der Kontaktmenge erzeugen. Um eine Beziehung pflegen zu können ist es erforderlich, dass man Eigenheiten, Vorlieben, Abneigungen, Namen und andere Merkmale der Person kennt. Vielfalt erfordert Ressourcen. „Soziale Netzwerke erlauben uns, sämtlichen Bekanntschaften nachzugehen und mit ihnen zu interagieren. Dennoch können sie nicht verhindern, dass unsere biologischen und physischen Grenzen nur eine begrenzte Anzahl sozialer Beziehungen erlauben.“ (Bruno Gonçalves) Und auf diese Weise nährt er sich in seinen Aussagen der ursprünglichen 150.
Von 2 bis 520
Der Forscher Prof. Patrik Lindenfors konzentriert sich hauptsächlich auf die Möglichkeit, Denkweisen und Methoden aus der Evolutionsbiologie zu übernehmen, um gesellschaftliche und kulturelle Veränderungen zu verstehen. Seiner Meinung nach unterscheiden sich die sozialen Kontakte von Menschen extrem und reichen von 2 bis 520 Kontakten. Bei 520 Kontaktpersonen wird es schwer, sich der Eigenheiten des Einzelnen bewusst zu sein und sie jederzeit zur Verfügung zu haben. Intensiver Kontakt zum Einzelnen wird immer schwerer, je größer die Gruppe ist. Doch müssen wir um als Stamm zu agieren, wirklich jeden Einzelnen genau kennen? Ich glaube es nicht. Vielmehr glaube ich, dass ein Stamm ein Gewebe unterschiedlicher Kontaktintensität ist, das sich nach Zuneigung und Aufgaben gestaltet. Entscheide Du anhand dessen, wie Du mit Deinen Kontakten umgehst und sie pflegst. Damit gestaltest Du Deinen Stamm.