Indigo steht für Luxus und Reichtum. Warum eigentlich? Ich habe mich auf den Weg gemacht, es herauszufinden. Kommst Du mit?
Ein Wochenende in Berlin, ein Treffen mit meinem Freund Ignasi Blanch und ein Aufenthalt im Hotel Indigo an der East Side Gallery bilden den Anlass, unseren Dialog über Farben weiterzuführen. Dieses Mal geht es um Tiefblau – also um Indigo. Sowohl der Name des Hotels als auch das Symbol einer Schnecke beschäftigten Ignasi und mich. „Also, machen wir etwas mit Indigo!“ Das war unsere Vereinbarung, genauso unkompliziert wie immer.
Indigo ist eine Farbe, die ich mit Indien, Marokko, Jeans und Schnecken verbinde. Eine seltsame Kombination. Wie kommt das?
Meinen ersten Kontakt mit Indigo hatte ich in Indien. Die Indigopflanze stammt nämlich aus Ostindien, und es waren die Griechen, die sie nach Europa brachten. Daher stammt auch der Name: Indikón (Ἰνδικόν) = „Indisches“. In Indien beeindruckten mich der tiefe Blauton und die langen Schals. Die Färber bestaunte ich beim Verzaubern der Stoffe. Allerdings hinterließ die Farbgewinnung aus der Pflanze eine tiefblaue Färbung der Haut. Das Blau der Berber. Die Tuareg mit ihren blauen Turbanen. Und schon bin ich in Marokko. Ich atme die heiße Luft der Wüste und bin bis heute total verliebt in diese Gegend.
Unabhängig davon bestaune ich die stolzen Wüstennomaden. Ihr Anblick zog mich schon auf Bildern in den Bann. Die Wirklichkeit ist vielfach kraftvoller. Den Namen Tuareg bekamen sie von den Arabern, er bedeutet „von Gott verlassen“. In ihrer eigenen Sprache nennen sie sich selbst Kel Tugulmust, „Menschen, die den indigoblauen Schleier tragen“, oder alternativ Imouhar, „freie Menschen“ – eine Bezeichnung, die zu ihrem Lebensstil wahrlich gut passt. Sie sind die Könige der Wüste. Mich beeindruckt vor allem, dass sie die Natur nicht fürchten, sondern sich als ein Teil von ihr sehen. Dieses Element von Indigo lässt mich träumen. Ich stelle mir vor, wie es wäre, als Nomadin zu leben.
Nun erinnere ich mich an meine Jeans, die auf meiner Haut immer den blauen Farbton hinterlassen haben, den ich heute als Indigo bezeichne. Dieses satte Blau habe ich immer besonders geliebt, auch wenn beim Duschen nach dem ersten Tragen blaues Wasser an mir herablief. Sicher ungesund, und doch eine Jugenderinnerung. Eine, die ich liebe.
Mir fallen die Indigokinder ein. Nach einem esoterischen Konzept sind das Kinder, die ausgesprochen willensstark und mit großem Selbstbewusstsein ausgestattet sind. Außerdem sollen sie einen hohen Intelligenzquotienten, eine schnelle Auffassungsgabe und einen selbstverständlichen Umgang mit komplexer Technik haben. Darüber hinaus spricht man ihnen eine dunkelblaue Aura zu – daher der Name. Auch hier gilt Indigo als etwas Besonderes.
Vom Besonderen komme ich zum Spirituellen. In diesem Sinne hat Indigo seinen Sitz im Bereich des Dritten Auges. Hier geht es darum, mit sich selbst und der Welt im Reinen zu sein und seine eigene Wahrheit zu leben. Die Farbe steht also für Erkenntnis und Einsicht. Wenn ich dorthin fühle, kann ich diese Empfindungen durchaus mit der Farbe in Verbindung bringen.
In der Farbtherapie gilt Indigo als schmerzstillend, entkrampfend, entzündungshemmend und beruhigend. Auch ziemlich verheißungsvoll.
Erstaunlich, wie viele verschiedene Bilder und Emotionen Indigo in mir erzeugen kann. Vielleicht ist Indigo wirklich die Farbe der Träume? Oder Farben inspirieren zum Träumen, zu Bildern? Ich erinnere mich an eine frühere Aussage von mir: Dinge haben keine Bedeutung, sondern ich gebe sie ihnen. Das Großartige ist, ich kann auswählen, was ich lieber denken möchte.
Nun fehlt noch die Sache mit den Schnecken. Und die geht so: Im alten Ägypten wurde aus Meeresschnecken das hochwertigste Indigo gewonnen. Hier lag die Herausforderung darin, eine genügend große Menge des Farbstoffs herzustellen. Man brauchte tatsächlich das Sekret aus 12 000 Murex-Schnecken, um 1,4 g Tyrianisches Purpur zu gewinnen! Eine Menge, die gerade genug war, um ein Taschentuch einzufärben. Unvorstellbar! Diese Indigovorstufen werden von den Schnecken als Abwehrmechanismus produziert und haben antimikrobielle Eigenschaften.
Die Gewinnung von Indigo aus Pflanzen ist schon aufwändig und teuer, doch die teuerste und älteste Variante ist tatsächlich die mit den Schnecken. Bevor es synthetische Farben gab, war Indigo also eine Farbe, die schwer herzustellen und daher sehr kostbar war. Ganz sicher steht sie auch deswegen immer noch für Luxus, Wohlstand und königliche Ansprüche. Eben Indigo!